Sahra Wagenknecht auf Unterstützer-Tour in Thüringen

Neustadt/Orla. Ein Mittwochabend Mitte Juni in Neustadt an der Orla. Der Tewa-Saal ist voll. Sahra Wagenknecht hat sich angekündigt. Und kurz nach 19 Uhr ist sie auch da und wird von den fast 300 Gästen mit viel Beifall begrüßt. „Man kann Politikverdrossenheit begegnen, indem man sich kompetente Partner einlädt, so wie wir das heute gemacht haben. Das Thema des Abends, zu dem Sahra dann spricht, könnte aktueller nicht sein – Die Wirtschafts- und Finanzkrise in Deutschland, Europa und der Welt“, eröffnet Thomas Hofmann (Kreisvorsitzender der Linken Saale-Orla-Kreis) offiziell die Veranstaltung.

Thüringens Landesvorsitzender Knut Korschewsky blickt zufrieden in die Runde. Der Dirketkandidat zur anstehenden Bundetagswahl im Wahlkreis 196 (SON, SLF-RU, SOK) begleitet Sahra auf die Bühne und ermöglicht den Anwesenden durch ein sehr persönliches Gespräch auch einen privaten Einblick in das Leben der Spitzenpolitikerin. „Ich fühle mich im Saarland so wohl, weil es mich sehr an die Region um Jena erinnert, wo ich aufgewachsen bin. Auch die Mentalität der Menschen ist ähnlich. Aber natürlich komme ich auch immer wieder gerne nach Thüringen zurück“, verrät Sahra gleich zu Beginn.

Warum sie zur Bundestagswahl als Spitzenkandidatin in Nordrhein-Westfalen antritt, will Knut wissen. „Wir müssen als Linke im bevölkerungsstärksten Bundesland wieder Fuß fassen und ich möchte dazu beitragen, dass die Linke in NRW und so auch als gesamtdeutsche Partei stärker wird“, erklärt die stellvertretende Parteivorsitzende.

Nicht das Farbenspiel im Bundestag sei so entscheidend, sondern eine starke Linke. „Die Agenda 2010 wurde in einer Zeit durchgewunken, als es keine Linke im Bundestag gab. Wir brauchen eine starke Linke im Bundestag, damit wir eine mögliche Agenda 2020 verhindern können“, führt Sahra aus und ergänzt: „Die Betroffenheit und Heuchelei der Regierungsparteien helfen den Menschen nicht weiter. Deutschland geht es gut, heißt es aus Regierungskreisen. In diesem Land arbeiten acht Millionen Menschen im Niedriglohnsektor. Alleinerziehende wissen nicht mehr ein noch aus. Immer mehr Rentner sind von Altersarmut betroffen. Aber Deutschland geht es gut.“

Zur Finanzkrise merkt sie an: „183 Milliarden Euro an Finanzhilfen sind nach Griechenland geflossen. Aber nicht an die Arbeiter oder Rentner. Es wurden die ‚freigekauft’, die Griechenland vorher Kredite gaben und davon profitierten. Das Geld ging an Gläubiger, an die Finanzmafia, an Banken, Hedge-Fonds und Anleger. Und das wird so weitergehen. Wir retten die Euros der Banken und Millionäre.“ Schulden und Vermögen gehörten eng zusammen. Denn Geld verschwinde nicht, es wechsle nur die Seiten. „Es ist allerdings frustrierend, wie ruhig es gerade in Deutschland ist. Wenn sich die Menschen nicht wehren, wird sich auch nichts ändern. Wir alle sollten etwas spanisch, italienisch und griechisch lernen, damit wir gemeinsam mit den Menschen dort eine Sprache sprechen im Kampf gegen den unmenschlichen Kapitalismus“, fordert sie an jenem Abend. Und appelliert an die Anwesenden, sich stark zu machen für Gespräche mit den vielen Menschen, die schon resigniert haben, die einen Gang zur Wahlurne nicht in Erwägung ziehen, weil sie glauben, nichts ändern zu können. „Das Schlimme ist, dass gerade dort, wo Menschen leben, denen es schlecht geht, die Wahlbeteiligung sinkt“, so Sahra Wagenknecht abschließend.

Die Wahlkampfveranstaltung mit Sahra Wagenknecht machte eins deutlich. Politik kann so einfach sein, wenn man wie die 43-Jährige klar und verständlich, aber dennoch mit viel Emotionen über die Krise in Deutschland und in Europa referiert. Wenn man sich ehrlich über Dumpinglöhne und Hartz IV empört, wenn man engagiert und glaubhaft die Menschen zum Mitmachen ermutigt. Und Sahra bewies ebenso, dass linke Politik sehr attraktiv sein kann.

SUW