Rede zum 8. Mai 2013 – 68. Jahrestag der Befreiung

Knut Korschewsky

Liebe Bürgerinnen und Bürger, Liebe Freundinnen und Freunde, Liebe Genossinnen und Genossen,

traditionell begehen wir am heutigen Tag ein Ereignis, das für die Menschen in Europa und der ganzen Welt von herausragender Bedeutung ist. Heute jährt sich zum 68‘igsten mal der Tag der Befreiung vom Faschismus und Krieg.

Als Gedenktag erinnert er jährlich an die tiefe Zäsur von 1945: den Neuanfang und die doppelte Befreiung von Krieg und Faschismus. Heute ist der 8. Mai als Gedenktag für das Selbstverständnis der Bundesrepublik nicht mehr wegzudenken. Doch das war nicht immer so.

Lange Zeit tat man sich vor allem in Westdeutschland schwer mit dem 8. Mai, symbolisierte der Tag doch Befreiung und Niederlage zugleich. Das erschwerte zunächst die öffentliche Beschäftigung mit einer der tiefsten Einschnitte in der deutschen Geschichte und offenbarte zugleich eine Spaltung der Gesellschaft in der Frage, was und wie das richtige Erinnern sei. Dass die DDR früh einen Exklusivanspruch auf den Gedenktag äußerte, verstärkte diese Tendenz. Mit seiner Rede zum 8. Mai rückte Bundespräsident a. D. Richard Weizsäcker 1985 den Tag in den Mittelpunkt öffentlicher Aufmerksamkeit. Seine Interpretation der Bedeutung des 8. Mai hatte wegweisenden Charakter: Nicht Kapitulation und Niederlage, sondern Befreiung von Krieg und NS-Diktatur ist spätestens seit Weizsäckers Rede der Grundtenor der Erinnerungskultur. Erstmalig wurde auch das lange gemiedene Thema Holocaust angesprochen: als einmalig und in der Erinnerung verbindlich, als grundlegend für das deutsche Selbstverständnis. "Das Vergessenwollen verlängert das Exil, und das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung" - so Weizsäcker 1985.

Zwar wurde auch noch in den 1990er-Jahren vor allem von rechtsextremen Kreisen aber auch von konservativen Politikern immer wieder versucht, den 8. Mai erinnerungspolitisch zu besetzen und den Aspekt der Niederlage an Stelle der Befreiung zu setzen. Durchsetzen konnten sich diese Bestrebungen aber nicht. Als europäisches Datum kann der 8. Mai heute von vielen Europäern gefeiert und so Teil eines kollektiven europäischen Gedächtnisses werden.

In dieser Tradition stehen wir heute hier und gedenken all jenen Menschen die Opfer der faschistischen Diktatur wurden und in dem barbarischen Krieg ihr Leben gelassen haben.

  • 6 Mio. Juden fielen den Vernichtungsplänen der Nazis zum Opfer,
  • 20 Mio. Sowjetbürger wurden in einem der barbaristen Kriege getötet. 5 Mio. Polen,
  • 4Mio. Nichtjüdische Zivilisten, KZ-Häftlinge, Zwangsarbeiter, Deportierte, 3,3 Mio. sowjetische Kriegsgefangene,
  • 250.000 Euthanasie-Opfer,
  • 220.000 Sinti und Roma,

Um nur einige Opfergruppen zu nennen. Fast alle Nationen Europas haben Opfer zu beklagen. Sicher sind diese Zahlen schon oft genannt worden und längst bekannt. Sie werden mehr und mehr, nach fast 70 Jahren zur Statistik. Aber gerade das darf nicht geschehen. 50 Mio. Tote sind 50 Mio. Einzelschicksale voller Grauen, Trauer, Angst, Wut und jeder menschlichen Regung die man sich vorstellen kann. Von diesem Grauen sind so viele Menschen betroffen gewesen und noch heute betroffen, dass das niemals aus dem Gedächtnis gelöscht werden darf. Das alles ist Grund genug, der Opfer zu gedenken und gemeinsam alles zu tun, das sich so etwas nicht wiederholen kann. Dabei ist es sicher heute, nach 7 Jahrzehnten schwierig diese Tragödie lebendig zu vermitteln. Die Generation, die das alles noch selbst erlebt hat steht immer weniger zur Verfügung um aus eigenen Erfahrungen zu berichten und selbst als sie noch lebten haben viele geschwiegen und das Trauma auf diese, eigene Weise zu verarbeiten. Wir, als Nachkriegsgeneration können diese Dinge stärker rational und mit weniger persönlicher Betroffenheit erfassen aber unsere Verantwortung ist deshalb nicht geringer. Umso erfreulicher war es, als am 1. Mai in Erfurt tausende Bürgerinnen und Bürger auf die Straße gegangen sind um mit friedlichen Aktionen des zivilen Ungehorsams dafür zu sorgen, dass die unverbesserlichen nur 250 m „Marschieren“ konnten und dann, wegen einer Blockade, umkehren mussten um Erfurt wieder zu verlassen. Da hat sich das Engagement gelohnt und wir hatten alle das Gefühl, dass es ein guter Tag für Demokratie und Frieden war. Auch hier in Pößneck hat es in den vergangenen Jahren immer wieder zivilen Ungehorsam und ein Aufbegehren gegen braunen Terror gegeben. Dafür kann man nur Danke sagen. Danke muss man auch Pfarrer König und den vielen Menschen sagen, die jährlich am 13. Februar in Dresden sich dem Naziaufmarsch entgegen stellen. Deshalb gehört auch unsere Solidarität heute Lothar König, der für diesen zivilen Ungehorsam vor Gericht steht. Gerade der am Montag begonnene NSU-Prozess macht darauf aufmerksam, dass die Probleme die es mit dem Rechtsextremismus gibt viel größer sind als in den letzten Jahren zur Kenntnis genommen wurde. Neben einem starken zivilgesellschaftlichen Engagement ist hier auch konsequentes handeln des Staates erforderlich. In diesem Sinne unterstützen wir ganz klar ein Verbot der NPD. Genauso wichtig ist aber, aus meiner Sicht auch, dass Deutschland sich aus militärischen Konflikten nicht mit SoldatInnen und Material beteiligen darf. Konflikte und Probleme lassen sich nicht mit Waffengewalt lösen, das lehrt jede Erfahrung. Hier geht es oft viel mehr um Hilfen und das Leben erträglich zu machen und Bildung zu ermöglichen, denn das sind die besten Garanten dafür, dass Menschen nicht aufeinander los gehen und meinen andere Länder besetzen zu müssen oder anders Denkende umbringen zu müssen oder Menschen anderer Herkunft angreifen zu müssen. Hier sind wir mit Hilfsprogrammen gefragt, hier haben wir eine große Verantwortung, hier können wir etwas tun. In diesem Sinne, liebe Anwesende wollen wir der Opfer des Faschismus gedenken und den Jahrestag der Befreiung vom Hitlerfaschismus würdigen. Danke