Sonnenschein und Harmonie

Tourismuspolitische Konferenz der Thüringer LINKEN

Montag, 14. 11. 2011: Das Interesse war groß an diesem Novembernachmittag. Bei strahlendem Sonnenschein fanden sich rund sechzig Vertreter aus dem lokalen und regionalen Gastgewerbe, den verschiedenen Tourismusverbänden und der Landespolitik im Hotel „Schieferhof“ in Neuhaus am Rennweg ein, um sich über Aussichten und Pläne des Thüringer Tourismus in den nächsten Jahren zu  informieren und zum Teil lebhaft zu debattieren. Die Veranstaltung, zu der von der Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag geladen worden war, zeigte sich hochkarätig besetzt: Nicht nur der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Technologie, Matthias Machnig (SPD), legte seine An- und Aussichten dar, auch Bärbel Grönegres, die Leiterin der Thüringer Tourismus GmbH, hauptverantwortlich für Koordination und Marketing des Landestourismus, stand Rede und Antwort. Zur Unterstützung der Thüringer LINKEN war auch Dr. Ilja Seifert, tourismus- und behindertenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion, aus Berlin gekommen, begleitet von seinen Kolleginnen Silvia Wirth und Roswitha Schlesinger. Die Landtagsfraktion war vertreten durch Knut Korschewsky, Sprecher für Tourismus und Sport, den wirtschaftspolitischen Sprecher Dieter Hausold sowie dem Fraktionsvorsitzenden Bodo Ramelow.

Dass soviel Prominenz sich einfand, hat gute Gründe: Der Thüringer Tourismus krankt seit Langem, und das, obwohl er eine der Hauptsäulen der hiesigen Wirtschaft ist. Zwar gibt es Anzeichen, die zukünftig auf Verbesserung hoffen lassen, aber die aktuellen Statistiken sprechen eine andere Sprache. Demnach ist Thüringen das einzige Bundesland, das den deutschlandweiten Tourismusboom verpasst. Gründe liegen laut "Thüringer Tourismus GmbH" (TTG) vor allem in mangelhafter Qualität und regionalem Separatismus, vor allem aber an einem eklatanten Bekanntheits- und Identifikationsdefizit dieses schönen Landes, das nach Ansicht aller Teilnehmer einen ganzen Hort an kulturellen und natürlichen Schätzen zu bieten hat.

Dies war auch der Grund für die Tourismustagung, die bezeichnenderweise im Thüringer Wald stattfand, der nicht nur das größte Defizit zwischen Anspruch und Wirklichkeit aufweist, sondern zugleich auch am meisten darunter leidet. Bei exzellentem Service durch das Hotelpersonal, das mit einigen Köstlichkeiten für das leibliche Wohl der Gäste sorgte, verbrachte man einen Nachmittag, der im Großen und Ganzen von Einigkeit und Harmonie geprägt war. Die politische Einigkeit erreichte sogar die politische Ebene, als Minister Machnig, der sich mit Betreten der Veranstaltung gleich am Rednerpult wiederfand, ausdrücklich betonte, dass er Ideen für den Tourismus rein fachlich danach bewerte, ob sie gut oder schlecht seien, und nicht danach, aus welcher politischen Partei sie kämen. Im Gegenzug lobte Knut Korschewsky die derzeitigen Regierungspläne für Oberhof, und auch Ilja Seifert bestätigte, dass im Tourismus in der Regel nicht zwischen Regierung und Opposition gestritten wird. All dies bedeutet nun nicht, dass es keinen weiteren Diskussionsstoff gäbe. DIE LINKE nimmt den Tourismus ernst, das zeigt schon allein die Große Anfrage an die Landesregierung zum Thema. Die 181 dort gestellten Fragen bzw. deren Beantwortung auf ebenso vielen Seiten bildeten die inhaltliche Basis für die Konferenz, die ihrerseits selbst nur Grundlage für eine intensive und ausführliche Weiterbefassung mit der Thematik in den nächsten Monaten und Jahren sein soll.

Durchaus harmonisch war zumindest diesmal auch das Verhältnis zwischen TTG und Thüringer Wald, was nicht selbstverständlich ist: Die staatlich beauftragte Tourismusgesellschaft setzte nach Ansicht vieler in der Vergangenheit zu sehr auf die großen Städte und vernachlässigte die ländlichen Regionen, so der Vorwurf. Doch ausgerechnet ihre Leiterin B. Grönegres bekam Zustimmung und Applaus, nachdem sie Einsichten in ihr Konzept für den Landestourismus bis 2015 gegeben hatte. Zwar werden den kulturhistorisch weltweit bekannten Städten und Stätten auch zukünftig die größten Tourismuspotentiale prognostiziert; zugleich versöhnte und verband Grönegres aber mit dem Appell: „Lasst uns nicht die Städte gegen den Wald ausspielen“. Sie forderte gemeinsames Handeln ein, und Gemeinsamkeit – das ist die Parole aller an diesem Tag. Man müsse Potentiale verbinden und sich vernetzen, Pakete schnüren, um attraktiver für Reisewillige zu sein, und sich auf die ganz speziellen Bedürfnisse von Zielgruppen einstellen. dennoch hatte jeder ganz eigene Forderungen. Der Minister sprach sich für Qualität aus, dafür, interessanter und innovativer zu sein als andere und Bemühungen dahingehend auch zu prämieren. Ilja Seifert bekräftigte sein Anliegen für mehr Barrierefreiheit, was allseits große Zustimmung fand. Und Grönegres warb für eine Stärkung der TTG und deren Ausbau zum zentralen Koordinator der touristischen Einzelangebote, um den Separatismus zu beseitigen. Dafür sei es notwendig, sich unterzuordnen, nahm sie ihre Zuhörer in die Pflicht.

An dieser Stelle gab es aber Anlass zur Kritik. In einer unkonventionellen und offensiven Rede von Rita Worm, der Geschäftsführerin des Tagungshotels, wurde zunächst angemerkt, dass bis dahin über das Wichtigste nicht gesprochen worden war – die Gäste. Ihn stellte sie in den Mittelpunkt touristischer Arbeit gleich welcher Art, sprach von Visionen und davon, dass der Tourismus keine Produkte verkaufe, sondern Emotionen. Sie sprach von Unternehmergeist und von Freiheit, von Experimenten aus den eigenen Reihen. Zentrale Vernetzung sei nicht nützlich, vielmehr ein Zusammenspiel von Mitstreitern und lokalen Partnerschaften nötig.

Friedlich fiel auch die abschließende Podiumsdiskussion aus, an der sich das Publikum beteiligen konnte und es auch tat. Knut Korschewsky kritisierte einen im Tourismuskonzept vorgesehenen Tourismusbeirat ohne Beteiligung von Politikern, die letztendlich aber Entscheidungen treffen sollen; die Konzeption ist für ihn eine Grundlage, die aber erweitert werden muss. Dahingehend kündigte er an, die Fraktion DIE LINKE werde bis Mitte nächsten Jahres eigene tourismuspolitische Leitlinien aus dem Konzept der TTG und der Großen Anfrage erarbeiten. Vom geladenen freien Journalisten Henryk Balkow hatte man zumindest von Seiten der LINKEN auch mehr Widerspruch erwartet. In seiner Kritik zurückhaltend, empfahl er selektive Vermarktung, zugeschnitten auf bestimmte Gruppen.

Am Ende war man sich weitestgehend einig. Das überrascht nicht, denn schließlich haben alle Beteiligten dasselbe Ziel: Den Thüringer Tourismus voranzubringen und ein Stück weit konkurrenzfähiger zu machen in einem Markt, der längst schon die Grenzen Deutschlands und sogar Europas gesprengt hat. Oder, wie es von mehreren Seiten so schön hieß, „ein Stück mehr vom Kuchen abzubekommen“. Es wird sich zeigen müssen, ob die Pläne sich umsetzen lassen. Damit dies auch geschieht, einigte man sich gemeinsam darauf, von nun an regelmäßige Fachtagungen zur Überprüfung der Ergebnisse abzuhalten. Das ist doch schon ein Anfang. (Christian Augsten)