Fachvortrag Rita Worm, Geschäftsführerin der Farbglashütte Lauscha und des Hotels „Schieferhof“

Ideen und Erfahrungen in der Vermarktung von Tourismusobjekten mit unkonventionellen Mitteln

Vielen herzlichen Dank, dass ich hier sprechen soll, aber irgendwie fühle ich mich überhaupt gar nicht wohl. Ich glaube, ich gehöre hier überhaupt nicht hin. Die Problematik ist einfach die: Ich verdiene Geld mit dem Gast und der hat heute bisher überhaupt keine Rolle gespielt. Wir reden von Strukturen und was wir alles tun wollen und ich bin ganz ehrlich: Wenn wir darauf warten wollten, würde es uns schon längst nicht mehr geben. Insofern, dass wir uns keine Sekunde missverstehen, ich habe ganz großen Respekt vor der Arbeit aller, die hier im Raum sind, aber Uli Hoeneß ist einmal gefragt worden, das haben Sie vielleicht gelesen in der Fachpresse, Fußball und Tourismus – sieht er da eigentlich Parallelen? Da sagte er, na klar, es ist beides ein Mannschaftsspiel, also ein Teamspiel, und wir dienen zur Unterhaltung der Menschen. Insofern hat er recht. Ich habe lange Jahre auch ganz enge Parallelen zwischen Fußball und Tourismus gesehen. Mittlerweile sehe ich das ein bisschen anders. Klar, beim Fußball, das wissen wir, jeder redet über Fußball, der einen Ball vor den Beinen halten kann. Im Tourismus ist es ähnlich; jeder, der einmal im Urlaub war, ist der große Fachmann im Tourismus. Im Fußball allerdings ist in der Endkonsequenz etwas anders, nämlich dann, wenn es an die Wirtschaft geht, dann, wenn es an das Spiel geht, dann, wenn die Punkte gemacht werden, dann stehen die Profis auf dem Spielfeld. Im Tourismus ist das leider anders. Ich bin ganz ehrlich, ich weiß nicht genau, was Karl-Heinz Rummenigge sagen würde, wenn Theo Zwanziger ihm ein Konzept vorlegen würde, nach dem wir in Zukunft alle gemeinsam agieren im Fußball.

Ich muss es vielleicht erklären, ich möchte nicht, dass Sie mich missverstehen. Ich stehe hier überhaupt nicht da, um zu nörgeln, aber irgendwie geht es doch um Tourismus, es geht um Gäste und da ist eben, wie gesagt, heute noch kein Wort gefallen. Vielleicht, dass sie mich ein bisschen verstehen: Ich sehe ganz viele neue Gesichter hier, vielleicht lassen sie mich mit drei Worten sagen, warum ich heute hier stehe. Meine Name Rita Worm, Mitte der 1990er Jahre, 1993, ich weiß es nicht mehr genau, war ich zu dem Zeitpunkt in der mittleren Führungsebene eines amerikanischen Hotelkonzerns tätig. Ich bin ein alter DDR-Bürger und hatte Schwierigkeiten im Umgang mit den Menschen, das ist ja bei den Amerikanern wirklich unkonventioneller. Man war in Orientierung und da hatte ich ein Wirtschaftsmagazin in der Hand, und da war ein halbseitiges Foto drin. Auf dem Foto war ein Küchenchef in einem Mercedes-Cabriolet sitzend, davor ein grüner Wiesenrain, dahinter ein gelbes Rapsfeld, darüber ein blauer Himmel. Die Bildunterschrift war: Das ist der Küchenchef vom Schindlerhof in Nürnberg. Der Schindlerhof, ein mittelständischer Hotelbetrieb, und der Küchenchef hatte gerade eine Auszeichnung gekriegt, weil er ein sehr bedeutendes Mitarbeiterkonzept hat. Frau Worm hat nun geglaubt, jetzt wirst du den Konzern reformieren, indem du mit neuen Mitarbeiterkonzepten kommst. Ich wollte zu diesem Seminar und bin naturgemäß ablehnt worden. Ich bin trotzdem da gewesen – drei Tage Marketing und Motivation, fand damals in Weimar statt, und auf der Rückfahrt zu mir nach Hause auf der A9 habe ich beschlossen, mein Leben zu ändern. Ich wurde infiziert mit dem Virus Unternehmertum und ich habe von Anfang an eines gelernt: Alles, was ich tue, tue ich für den Menschen. Ich tue es für Gäste, genauso wie für Mitarbeiter. Das war ein abenteuerlicher Weg, wir sind irgendwann auf dieses ganz schöne Haus gekommen, haben den Schieferhof gebaut – eines der allerersten Dinge, die ich gemacht habe: Ich habe mich schulen lassen, ich bin zum Profi gegangen und habe mir das beibringen lassen: Wie führt man ein mittelständisches Unternehmen nach den Menschen ausgerichtet. Das heißt, wir haben eine Vision, mittlerweile 16, 17 Jahre, immer noch die gleiche Vision.

Wir haben Strategien, die sagen, der Gast ist unser Freund und wir schauen einfach, wie wir ihm etwas Gutes tun können. Wir haben mittelfristige Unternehmensziele, eine Jahreszielplanung. Wir sind nächste Woche wieder drei oder vier Tage im Harz in einem ganz schönen Hotel mit der Führungsmannschaft und wir werden die Ziele für nächstes Jahr definieren, betrachten, was wir dieses Jahr falsch gemacht haben, denn das kann ich hier auch sagen: Wir werden unsere Zahlen dieses Jahr nicht erreichen. Das hat aber nichts mit der Arbeit der TTG zu tun, Frau Grönegres, das hat nichts mit der Arbeit von Ihnen zu tun. Das ist einfach hausgemacht, meine Lieben. Wir haben hier zwischendurch ein bisschen geträumt. Ganz schnell noch, wir haben 1995 eröffnet, 1997 war fast das Ende der Fahnenstange erreicht, wir standen kurz vor dem Konkurs. Das hatte mit Finanzierung zu tun usw. Damals war es ein alter Banker, der mir sagte: Frau Worm, wir können Ihnen gern helfen, Ihnen beizubringen, wo man den Schlüssel abgibt für dieses Haus, den wollte nämlich niemand haben. Wir hätten gern abgegeben zu dieser Zeit, Ende 1997, keiner wollte den haben. Er sagte mir damals, ich erkläre Ihnen das, ich helfe Ihnen – oder der andere Weg ist, weil das Konzept gut ist, kneifen Sie alles, was Sie haben, zusammen und finden Sie das Licht am Ende des Tunnels. Wir haben Letzteres getan, ich bin ihm heute noch sehr dankbar dafür. Wir haben tolle Leute unterwegs getroffen, ich sehe Axel, ich sehe Dich sitzen, du warst einer der ersten Gleichgesinnten, die wir getroffen haben. Genauso Frau Reichelt, unsere Bürgermeisterin, unsere Landrätin – ohne dieses Zusammenspiel hätte es nicht funktioniert.

Heute ist der Status quo für uns: Ja, wir haben das ganz vielen Mitstreitern zu verdanken, aber glasklar die Ausrichtung am Gast. Der Gast steht im Mittelpunkt unseres Handelns, und wenn ich das auch nur ein bisschen erst nehme, dann müssten eigentlich solche Gesprächsrunden innerhalb einer Viertelstunde erledigt sein, und die restliche Zeit müssten wir uns über Gäste Gedanken machen. Heute ist es so, wir haben 38 Zimmer im Haus, 20 Mitarbeiten – das sind die tollsten Mitarbeiter und ich sage sehr bewusst: Wir haben kein Personal. Der Schieferhof hat kein Personal und erst recht keine Arbeitnehmer. Nicht Schlimmeres kann man einem Menschen antun, als ihm das Denken abzusprechen. Jeder unserer Mitarbeiter hat drei Pfund Gehirnmasse, es sind alles Gehirnbesitzer. Dass sie Gehirnnutzer werden können, das liegt an uns, dafür bin ich Unternehmer. Da muss ich meine Zahlen offenlegen und bei uns ist es so, wir machen einmal im Monat ein Meeting, das ist diese Woche noch kurz vor der Jahreszielplanung, da kommen die Zahlen auf den Tisch. Sie kennen meinen Mann, er ist der Kopf des Unternehmens, der hat die Zahlen im Kopf. Ich, Frau Worm, bin der Bauch des Unternehmens, ich sorge dafür, dass es allen gut geht, dass die Düfte, die Farben usw. alles stimmt. Aber es sind alle daran beteiligt. Sie erinnern sich an das Eingangsbild, was ich sagte, mein Traum, der Küchenchef im Mercedes Cabriolet. Heute ist es so, 20 Prozent der Mitarbeiter fahren Dienstwagen, Audi und BMW. Wir schreiben eine Auslastung, die über der 50 Prozent liegt, leider – wir wollten es gern ein bisschen höher haben. Das wird nichts aus bekannten Gründen, wir haben uns einfach zu sicher gefühlt, haben nicht das entsprechende Marketing, haben uns nicht entsprechend um unsere Kunden gekümmert am Anfang des Jahres, haben zu spät eingesetzt.

Ich habe noch eines vergessen: Wir haben hier ganz viel von der Natur gesprochen. Wir sind gerade dabei, die Voraussetzungen für die Klimaneutralität des Hotels zu schaffen, es dauert ein bisschen. Es lohnt sich, weil man ein verdammt gutes Gefühl dabei hat, weil man nämlich etwas für die Region tut, also für den Thüringer Wald. Vorhin kam einmal, wir müssen uns um unsere Qualität Sorgen machen. Ich habe vorhin geschwind schauen lassen, da gibt es die einschlägigen Medienplattformen, wo man nachsehen kann. Die Wiederempfehlungsrate von uns, vom Schieferhof per 14.11.2011, liegt bei 97 Prozent und das sind nicht etwa 2 Bewertungen, wir haben 50 Bewertungen. Frau Müller, da hinten steht sie, vielen Dank noch einmal für alle da draußen. Das macht ihr toll.

Mittlerweile hat sich ja herumgesprochen, wir haben uns ein bisschen vergrößert – Anfang oder zum Ende des vorhergehenden Jahres schon hatten wir ein paar Energien frei und wollten noch ein Hotel machen. Klar, wir hatten so viele Fehler gemacht. Ich denke, einmal will ich so etwas ohne oder mit relativ wenigen Fehlern machen, aber ich möchte das Wissen anwenden, das man hat. Ich habe damals einen Gast unseres Hauses angesprochen, ob er sich möglicherweise an der Finanzierung beteiligen möchte. Da hat er gesagt, Frau Worm, sie sind ein kleines bisschen verrückt. Ich bin über 70, das werde ich ganz bestimmt nicht machen. Aber sie können meine Farbglashütte haben. Da habe ich gesagt, sehen Sie mal, das werde ich ganz bestimmt nicht machen, denn ich habe von Glas überhaupt keine Ahnung. 14 Tage später war er wieder da, er hat mich zu einem Glas Rotwein eingeladen, und wie das dann manchmal so ist, dann gab es noch eine Flasche Rotwein. Mit Ines Zetzmann mache ich seit 1. Juli letzten Jahres die Farbglashütte Lauscha. Sie hat nämlich Ahnung vom Glas, sie macht Christbaumkugeln, also die Christbaumkugelmanufaktur hier in Neuhaus zusammen mit ihrem Partner. Wir sind auch dort daran, dass wir uns mit den Mitarbeitern einmal im Monat unterhalten über Pläne, über Umsätze, über alles Mögliche – über Zahlen, können wir uns Investitionen leisten, wie sieht das aus, wie ist die Effizienz im Verkauf, was bringt der Vertrieb. Jedenfalls haben wir eine strategische Entscheidung getroffen, für die Region, ich muss es immer wieder sagen, wir tun dies für die Region. Ich weiß sehr wohl, ich bin mit dem Hotel hier und meine Aufgabe als Unternehmer ist es, wirklich zu schauen, dass es der Region insgesamt gut geht – den Gleichgesinnten, wohl gesagt. Ich bin nur an Gleichgesinnten interessiert, an Menschen, die genauso denken, die auch die Region nach vorne bringen wollen und dafür etwas tun wollen. Ergo: Die Kernkompetenz der Farbglashütte Lauscha liegt im Schmelzen farbigen Glases, und das wird auch so bleiben. Da ist es mir relativ egal, wer jetzt alles mit Energiesparkonzepten kommt und wo ich mein Glas herholen kann. Ich weiß, es gibt mittlerweile tolle Hütten in Slowenien, die ganz preiswert produzieren. Wir werden in den nächsten Jahren noch einen Ofen bauen, so wir die Finanzierung und alles hinkriegen. Ich komme gerade aus Salzburg, ich war 2 Tage dort zu einer internationalen Tagung, da ging es um gläserne Produktion. Wir werden also alles, was wir an Produktion haben, die ganzen alten Maschinen, wo wir jetzt schon mit der Glasdrehbank angefangen haben, die werden wir nach oben holen und dem Kunden zeigen, weil – und das ist richtig– unser Glas handgemacht teurer ist, aber ich bin davon überzeugt, dass 99,9 Prozent der Menschheit auch drei Pfund hier oben drin haben und denen muss ich das nur erklären, warum dieser Preis zustande kommt. Ich muss die Geschichte erzählen, und da liegt die Farbglashütte Lauscha sehr nah an dem Schieferhof. Wir verkaufen keine Produkte, meine Lieben, auch wenn wir hier permanent von Produkten reden, wir verkaufen Emotionen. Der Tourismus ist ein Geschäft mit den Emotionen und da können wir hier 100 Mal über irgendwelche Konzepte sprechen – wenn unterm Strich keine Emotionen herauskommen, ist es schade ums Papier und schade ums Geld.

Aber ich sehe Sie hier sitzen, mein Lieber, ich bin manchmal ganz traurig, welche schlechte Publicity wir uns gefallen lassen, oder zu welcher schlechte Publicity wir auch beitragen, weil ich einfach glaube, Lauscha hat ein ganz anderes Image verdient. Ich sage es gerne noch einmal, es stimmt nicht, dass die Glasproduktion in Lauscha den Bach herunter geht. Ich sage es noch einmal vor allen, wir hatten uns im Nachhinein mit dem Freien Wort ausgetauscht. Ich wollte also nicht, dass es an die Öffentlichkeit kommt, keinen Leserbrief oder so etwas schreiben, aber intern sollten wir uns wirklich verständigen: Alleine das Glaswerk Ernstthal hat 500 Mitarbeiter. Jeden Tag produzieren sie sechs Tonnen Glas, das sind umgerechnet 1,2 Millionen Flaschen, die dort drüben aus dieser kleinen Käsehitsche herausgehen – wenn das nicht das Lauschaer Glas in die Welt hinaustragen ist. Frau Dr. Zimmermann hat kürzlich den MutPreis gekriegt: Das ist Pharmaglas, ich glaube 900.000 Ampullen gehen da jeden Tag heraus. Darauf können wir aufbauen. So ein kleiner Kramladen wie die Farbglashütte: Wir bilden aus. Ich werde auch in den nächsten Jahren ausbilden. Wir haben hier unser eigenes Konzept geschaffen zur Sichtung und Förderung jener Talente. Ich hab erst mit drei Schulen gesprochen, wir sichten und fördern. Wir brauchen nicht die großen Hochschulkader, die sollen studieren gehen. Wir brauchen die Menschen, die ein Herz haben und wichtig ist, die stolz auf ihre Region sind und die später einmal für ihre Leistungen, nicht für ihre Pension bezahlt werden wollen. Die würden wir gern hier behalten, denen würden wir gern einen Ausbildungsplatz und vor allem später einen Facharbeiterplatz anbieten, denn das braucht diese Region ganz dringend. Da haben wir so ein paar Sachen, da sind wir am Basteln. Ich habe vergessen zu sagen, die Farbglashütte Lauscha hat heute 35 Mitarbeiter.

Ich werde sie, wenn ich das darf – das schiebe ich noch schnell ein, da bin ich stolz darauf – verlassen, denn heute Abend 18 Uhr drückt der Erlangener Oberbürgermeister auf den großen Button und wird in den Erlangen Arkaden die Erlebnisschau „Faszination Glaskunst“ eröffnen. Erlangen ist nach München, wie sie wissen, von der Kaufkraft her die zweitstärkste Region in Deutschland. Man ist zwar an die Farbglashütte herangetreten, aber wir vertreten Lauscha, die Glasregion Lauscha. Wir haben Krebs Glas mit im Boot, den Verband Lauscher Glaskunst mit im Boot. Klar, wir stemmen es, einer muss es ja machen. Wir können ja nicht nur erzählen. Erfolg hat drei Buchstaben: T U N, tun. Wir tun das und sind heute Abend 18 Uhr in Erlangen, cool, oder? Das wollte ich schnell noch sagen. Wir machen einfach Tourismus, ich gucke immer wieder Axel an, wir machen den einfach.

Ich finde diese Fördermittelaffinität belastend, ich möchte manchmal meine Kollegen an den Schultern nehmen und wachrütteln, denn mit Fördermitteln machen wir uns abhängig. Da gibt es wieder jemanden, der sagt, ihr müsst das und das machen, um Fördermittel zu kriegen. Also bei aller Liebe, wir sind Unternehmer und in Thüringen haben wir, glaube ich, 98,8 Prozent Klein- und Kleinstunternehmer. Das heißt, die haben noch nicht einmal 50 Mitarbeiter. Das sind solche Firmen wie wir. Bei uns gilt wirklich Bildung, Bildung, Bildung. Wenn Sie mich fragen, wo ich das gelernt habe – das war richtig teuer –, aber ich gehe zu Leuten, die mir beweisen können, dass das, was sie erzählen, richtig ist. Ich lasse mir nichts vom Klapperstorch erzählen. Das ist ein bisschen teurer, langfristig aber mit Sicherheit die bessere Investition.

Mein Thema war eigentlich „Unkonventionelle Produktbildung“ und da weiß ich immer gar nicht so richtig, was ich sagen soll. Wir machen es nicht bewusst. Wir schauen, was will unser Gast haben, und mittlerweile kümmern wir uns um Vertriebsstrukturen. Ich habe gestern Abend wieder Gäste begrüßt, die kommen hierher, weil sie Kartoffeln schälen wollen. Und darauf freuen sie sich. Sie stehen morgen elf Uhr in der Küche, schälen Kartoffeln, reiben Kartoffeln und machen Thüringer Klöße. Sie kommen aus Bremen, aus Hamburg usw. Sie werden zurückfahren und, das garantiere ich ihnen, werden begeistert sein und sagen, wow, coole Region. Natürlich haben sie gestern auch gedacht, als sie hier hochgekommen sind, wo komme ich denn hier hin? Der Berliner würde sagen ich bin hier jwd – janz weit draußen. Oder für die anderen: selbst Fuchs und Hase gehen hier manchmal schweigend aneinander vorbei. Wir suchen unsere Zielgruppe mittlerweile bei den Gästen, nicht die Halligalli haben wollen, die tolle Strukturen brauchen – nein, wir suchen uns das in unseren Kreisen, also in Unternehmerkreisen, in Klein- und Kleinstunternehmen, denn wir haben kostengünstige Produkte und wir bieten Langsamkeit an. Jeder Gast, der ein Arrangement gebucht hat, wird begrüßt mit: „Meine Lieben, ja, wenn Sie gestern Abend beim Spaziergang durch den Ort festgestellt haben, hier gibt es noch nicht einmal ein Café – das ist hier nicht üblich, hier braucht man das nicht.“ Die Leute backen sehr guten Kuchen zu Hause, aber wir wissen, wo es den weltbesten Kuchen gibt. Und wenn der Gast morgens an der Rezeption sagt, er möchte Kaffee trinken, dann kriegt er Nachmittag Antonkuchen. Der ist nämlich wirklich gut. Das ist ein Hefeteig, das ist ein typischer Thüringischer mit Schmand oder Streuseln. Und nein, bei uns können die handgenähten Kalbsnappa-Pumps im Schrank bleiben, weil unsere Waldwege nicht asphaltiert sind. Der Forst führt sich manchmal auf wie die Axt im Walde. Sie müssten einmal die Forstwege sehen. Also es ist eine Frage der Argumentation: Ja, bei uns braucht man Gummistiefel und Wanderschuhe. Bei uns ist auch das Wetter manchmal sehr umtriebig, aber wir haben diese Regenumhänge, die passen in jede Manteltasche. Dann gibt es Gäste, die kommen zurück und sagen, ich habe ihn gar nicht gebraucht, schade. Letzten Endes ist es so: Wir schauen einfach, was will unser Gast haben und an dem orientieren wir uns.

Wir suchen uns mittlerweile andere Vertriebsstrecken. Das hat aber nichts mit der Arbeit der TTG zu tun, Sie machen Marketing, das hat nichts mit Marietta zu tun. Der Status quo ist so: ehe ich mich hinstelle und die Welt verändern will, gucke ich einfach, wie bekomme ich mein Produkt an den Mann. Da gibt es mittlerweile professionelle Vertriebsstrukturen. Klöße machen wir nicht mehr, das haben wir schon drei Jahre gemacht. Nächstes Jahr werden wir Thüringer Bratwurst machen. Da weiß ich schon heute, das wird ein Renner. Und da gibt es professionelle Vertriebsstrukturen, die können das richtig gut. Das kostet auch richtig Geld. Dadurch, dass wir rangehen und sagen, ich verkaufe keine Kontingente – es wird ja immer von den Reiseveranstaltern nach Kontingenten gefragt –, aber ich habe Traumpakete und diese Pakete lassen sich sehr gut verkaufen. Qualität muss passen, das, was ich anbiete, muss der Gast hier finden. Wenn das stimmt, habe ich keine Probleme. Bei uns gibt es kein Douglas, kein Armani, kein Escada – aber wir bleiben authentisch. Wir bleiben authentisch und bei uns lernt der Gast auch immer wieder Wertschätzung. Wir haben strategische Netzwerke, aber ich suche mir meine Partner aus. Die haben nichts mit mir zu tun, meine Partner müssen zu meinen Kunden, müssen zu meinen Gästen passen. Deswegen, lieber Herr Richter, habe ich ihnen das neulich schon geschrieben per E-Mail: Ich finde es toll, was sie machen, machen sie es weiter so. Wir schauen auch gern, wo wir sie unterstützen können, aber wir müssen andere Partnerschaften eingehen. Das hat etwas mit meinen Gästen zu tun. Oder Frau Saager – strategische Partnerschaften: Wir werden auch mit der Oberweißbacher Bergbahn etwas machen für die Farbglashütte. Das sind richtig tolle Partnerschaften. Bis zu dem Vertriebssystem sind ein paar Geschichten angedacht, ohne Fördermittel, sondern sich einfach auf den Unternehmergeist zurückberufend, oder einfach den Unternehmergeist hervorhebend.

An dieser Stelle möchte ich gern Wünsche äußern: Ich hab ganz am Anfang gelernt, Politik setzt Initiative fördernde Rahmenbedingungen. Die gehen mir gerade so ein bisschen verloren. Es kommt der Zwang, man will mir irgendwie, habe ich manchmal das Gefühl, sagen, was ich machen muss. Es tut mir leid, ich bin Unternehmer. Dazu habe ich mich vor vielen Jahren bekannt, das war die Freiheit, die mich damals gezogen hat. Jeder, der hier im Raum ist, der Unternehmer ist und am Monatsende von Gästen lebt und nicht vom Gehaltsscheck – ich lebe nur von der Wirkung unserer Gäste –, der weiß einfach, dass man sich selbst gar nicht so wichtig nehmen muss. Ich würde mir wünschen, dass Sie sich manchmal gar nicht so wichtig nehmen, sondern schauen, was der Gast will. Ich wünsche mir Initiative fördernde Rahmenbedingungen. Ich wünsche mir die Wertschöpfung und den Respekt vor der Wertschöpfung. Das geht mir ein bisschen verloren. Man wirft mit Millionen Fördergeldern herum. Ich sage überhaupt nicht, ob das gut ist oder nicht gut ist. Ich sehe nur meinen eigenen Kontostand und den meiner Mitarbeiter – wenn wir von Mindestlohn reden, gehe ich immer davon aus, fairerweise, dass wir von netto reden, da muss mehr in der Tasche bleiben. Da bin ich sofort bei ihnen. Ich finde es manchmal ungerecht, was wir ackern. Wir tun es gern, dass wir uns nicht missverstehen, aber wie weinig dafür übrig bleibt und vor allem wie wenig übrig bleibt, um zu agieren. Manchmal komme ich mir wie ein Bittsteller vor, und ich glaube, das können wir ein bisschen verändern, das würde ich mir wünschen. Ich würde mir wünschen, dass man dem anderen mehr Wertschätzung entgegenbringt und Chancen zulässt. Ich weiß, die Oberhof-Card steht gerade so ein bisschen in der Kritik. Wir sind Bestandteil da und in den ersten 14 Tagen habe ich durch diese Oberhof-Card in der Farbglashütte Lauscha mehr Kunden gehabt, die mehr Umsatz gemacht haben, als die Thüringer Wald Card im ganzen Jahr. Last, but not least: Ich möchte Ihnen ein Stück Schieferhofgeist mitgeben. Sie haben auf ihren Plätzen dieses „Danke“ liegen. Ich habe gesagt, wir machen mittelfristige Ziele und kurzfristige Ziele. Unsere Jahreszielplanung für 2011 sieht vor – immer noch, sie gilt ja bis zum 31.12 –, willst du, dass es dir gut geht, würdige die Arbeit des anderen und sage einmal mehr Danke. Damit wir das nicht vergessen, ich gebe ihnen gerne das Blöckchen mit. Das ist etwas, was unsere Gesellschaft dringend braucht. Wir sollten aufhören, zu nörgeln, aufhören zu klagen, permanent dem anderen etwas Böses zu unterstellen, sondern einfach Danke sagen. Das sind so kleine Klebepads, die können sie sich an den PC machen, an den Spiegel zu Hause – wie auch immer, ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.