Koalitionsvertrag

10. Mobilität und Verkehr

  • 10.1 ÖPNV

     

    Wir wollen dem Bedürfnis der Menschen nach Mobilität einerseits und einer sozialen und ökologischen Verantwortung andererseits vor dem Hintergrund des demografischen Wandels Rechnung tragen. Wir geben dem öffentlichen Personennahverkehr vor dem motorisierten Individualverkehr Vorrang, wollen ihn entsprechend fördern und dabei umweltfreundliche Antriebssysteme bevorzugen.

    Die Koalition bekennt sich zu einem attraktiven und verbesserten Verkehrsangebot jenseits des Individualverkehrs. Wir wollen dazu eine bessere Verknüpfung der Verkehrsträger des öffentlichen Verkehrs erreichen. Ziel ist es, bedarfsgerechte verkehrsträgerübergreifende Wegeketten anzubieten. Dafür sind regionale Verkehrskonzepte unter Einbeziehung aller beteiligten Städte und Landkreise zu erstellen. Dabei sind alle Verkehrsmittel und Verkehrsinfrastrukturen sowie die Entwicklung der Elektromobilität einzubeziehen.

    Sozial ausgewogene Tarife, ein einheitliches Vertriebssystem, gemeinsame Beförderungsbedingungen und Fahrgastinformationen sind wichtige Bedingungen für einen kundenfreundlichen ÖPNV. Deshalb werden wir die kooperative Zusammenarbeit der Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen unterstützen.

    Die Koalition plant die Einführung eines angebotsorientierten Thüringentakts. Dieser soll insbesondere die Verknüpfung von Bus und Bahn und zum Fernverkehr verbessern. Ein Netzoptimierungsplan soll den Ausbaubedarf im Schienennetz zur Erreichung der Taktknoten aufzeigen. Landesbuslinien sollen zur Lückenschließung zwischen zentralen Orten mit herangezogen werden. Das Land kann im Bedarfsfall Mittel zur Planung vorfinanzieren, wenn dies die Realisierung beschleunigt. Durch touristische Bahn- und Busverbindungen, Rad- und Wanderwege sowie Parkplätze ist dem Fremdenverkehr besondere Beachtung zu schenken.

    Wir werden zusammen mit den Kommunen auf die Gründung eines thüringenweit einheitlichen Verkehrsverbundes hinwirken. Die Bahn- und Busverbindungen können so fest vertaktet und neue Kunden gewonnen werden. Dabei sollen auch neue Angebote, wie Linientaxis, Rufbusse und Bedarfshalte, besonders für den ländlichen Raum, entwickelt werden. Die Ergänzung der Angebote durch Bürgerbusse wird geprüft.

    Wir setzen uns für Barrierefreiheit im Öffentlichen Personenverkehr ein. Dies gilt für Fahrzeuge, Haltestellen und Zugänge. Informationssysteme sollen einfach abrufbar, aktuell und barrierefrei angeboten werden.

    Zur Verbesserung der Mobilität wird vereinbart:

    • Es sollen die rechtlichen Voraussetzungen geprüft und ggf. geschaffen werden, um Kommunen die Erprobung bzw. Etablierung von Modellen des fahrscheinfreien öffentlichen Verkehrs zu ermöglichen,
    • die Koalition strebt die Einführung eines für Auszubildende kostengünstigen Nah- und Regionalverkehrstickets an. (s. Kapitel „Gute Ausbildung“),
    • die Koalition wird die Einführung eines Sozialtickets prüfen,
    • die Lösung von Kreisgrenzen überschreitenden Verkehrsproblemen und sinnvolle neue ÖPNV-Verknüpfungspunkte (wie z.B. Straßenbahn zu Bus) werden wir unterstützen. Dazu werden bei Bedarf auch Fördermittel für die jeweiligen Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen bereitgestellt. Zur Finanzierung des ÖPNV sollen auch wieder Mittel des Landes eingesetzt werden können.

    Die Landesregierung wird mit den mitteldeutschen Ländern Gespräche über die Erweiterung des Semestertickets führen.

    Die Koalition wird sich für eine verstärkte Förderung der Verkehrssicherheit und Verkehrserziehung im Freistaat einsetzen.

  • 10.2 Regio-S-Bahn / Pendler-Parkplätze / Schienenlücken

     

    Erfurt wurde und wird als zentraler Knoten für den Fern- und Nahverkehr ausgebaut. Um auch andere Städte und Kommunen gut per Schiene anzubinden, sollen neue Regio-S-Bahnen und bessere Taktungen die Fahrt- und Umsteigezeiten verkürzen. In den Regio-S-Bahn-Takt soll auch Gera eingebunden werden. Es soll geprüft werden, welche Mittelzentren ebenfalls in den Regio-S-Bahn-Takt einbezogen werden können. Wo keine ausreichende Regio-S-Bahn-Anbindung realisiert werden kann, wird die Einrichtung zusätzlicher Schnellbuslinien geprüft.

    Um die gemischte Nutzung von Verkehrsmitteln zu erleichtern, werden wir die Einrichtung weiterer Pendler- und Park- sowie Bike&Ride-Parkplätze unterstützen.

    Wir setzen uns für die Schließung von Schienenlücken bei Werrabahn und Höllentalbahn, den Regelverkehr der Rennsteigbahn (Ilmenau-Themar) sowie die Unterstützung von Initiativen ein, die das Schienennetz im Freistaat für touristische Zwecke nutzen, erhalten und reaktivieren wollen.

  • 10.3 Straßenbau / Verkehrsinvestitionen

     

    Die Neubauprojekte für Bundes- und Landesstraßen in Thüringen sollen durch ein transparentes Bewertungsverfahren mit objektiven Kriterien priorisiert werden. Dies sollte bei der Fortschreibung der Regionalpläne bereits berücksichtigt werden. Für stark belastete Ortsdurchfahrten werden Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung und zum Lärmschutz geprüft. Das Land unterstützt die Kommunen bei der Erarbeitung und Umsetzung von Lärmaktions- und Luftreinhalteplänen.

    Zur Stärkung des ländlichen Raumes und zur Unterstützung der Wirtschaft jenseits der vorhandenen Autobahnen wird angestrebt, die Verkehrsanbindung der überregional bedeutsamen Regionen wesentlich und zügig zu verbessern.

    Wir stellen Straßenerhalt vor Straßenneubau. Der Neubau soll wesentlich auf notwendige Ortsumgehungen und dringend erforderliche und bereits im Bau befindliche Anbindungen von einzelnen Regionen beschränkt sein. Durch Ortsumgehung sollen Anwohnerinnen und Anwohner entlastet und Ortschaften wieder attraktiver für den Aufenthalt werden. Die Straßenbaumittel zur Förderung des Radverkehrs außerhalb von Ortschaften sollen erhöht werden und mindestens zehn Prozent der Mittel für Erhalt , Um- und Ausbau betragen. Es werden mindestens zwei Pilotprojekte zur intuitiven Verkehrsführung in Kommunen finanziell unterstützt. Die Durchsetzbarkeit der Straßenbauvorhaben insgesamt soll regelmäßig mit den Kommunen geprüft werden.

    Die Struktur des Landesamtes für Bau und Verkehr und der Straßenbauverwaltung soll evaluiert und überprüft werden.

    Die Koalition prüft alle Möglichkeiten, die Realisierung derjenigen Vorhaben zum Bau von Ortsumfahrungen zu beschleunigen, für die Planfeststellungsbeschlüsse erlassen und die in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans 2015 eingeordnet werden.

    Die Kommunen sollen einen verlässlichen Rahmen für Verkehrsinvestitionen erhalten. Die Übertragung von Landesstraßen in kommunale Hoheit muss in saniertem Zustand entsprechend der zukünftigen Verkehrsbedeutung erfolgen.

    Wir werden die Erbringung des Winterdienstes auf Ortsdurchfahrten der Bundes- und Landesstraßen überprüfen. Der Salzeinsatz im Rahmen des Winterdienstes ist deutlich zu reduzieren.

    Die Koalition wird einen Landesstraßenbedarfsplan aufsetzen, um notwendige Verbesserungen der Landesstraßen umsetzen zu können. Bei grundlegenden Sanierungen von Überlandstraßen ist der Radverkehr mit einzubeziehen.

    Zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit und zur Herstellung des Biotopverbundes wird im Rahmen des Bundesprogrammes „Wiedervernetzung“ das Thüringer Entschneidungskonzept an Verkehrswegen umgesetzt.

  • 10.4 Güter- und Schienengüterverkehr

     

    Um die Belastungen, die der LKW-Verkehr für Menschen, Straßen und Umwelt mit sich bringt, zu reduzieren, setzen wir uns für den Ausbau des Schienengüterverkehrs ein. Hierzu sollen insbesondere EU- und Bundesmittel verwendet und im Dialog mit den Logistikunternehmen Strategien entwickelt werden.

    Um in Zukunft wieder mehr Güterverkehr auf die Schiene verlagern zu können, wird die Landesregierung die aktive Sicherung von Eisenbahninfrastruktur betreiben und schließt für ausgewählte stillgelegte Strecken Trassensicherungsverträge ab, um eine spätere Reaktivierung zu ermöglichen.

    Versuche mit Lang-LKW werden nicht weiter verfolgt. Für den Lang-Lkw-Versuch der Bundesregierung werden keine weiteren Streckenmeldungen erteilt.

    Ferner soll umgehend geprüft werden, inwieweit die Rennsteigtunnel-Kette für Gefahrguttransporte genutzt werden kann.

  • 10.5 Fernverkehrsanbindung in den Regionen verbessern

     

    Die Koalition setzt sich dafür ein, dass die bedarfsgerechte Anbindung Ostthüringens an den künftigen ICE-Knoten Erfurt gewährleistet wird.

    Besonderes Augenmerk legt die Koalition auf den Streckenabschnitt Weimar-Jena-Altenburg/Gößnitz der Mitte-Deutschland-Verbindung (MDV), weil hier erhebliche Kapazitätsengpässe bestehen. Wir werden alle Möglichkeiten ausschöpfen, den vollständigen zweigleisigen Ausbau und die durchgängige Elektrifizierung der MDV beschleunigt umzusetzen. Mit Fertigstellung des ICE-Knotens Erfurt setzt sich die Koalition dafür ein, auch weiterhin eine schnelle Nord-Süd-Anbindung im Fernverkehr für Jena und Saalfeld zu gewährleisten.

    Die Strecke Erfurt – Nordhausen soll zügig ausgebaut werden.

    Die Koalition setzt sich auf Bundesebene dafür ein, dass der ICE-Halt Coburg bedarfsgerecht angebunden wird und die Anbindung Südthüringens auf der ICE-Neubaustrecke über einen Haltepunkt für einen Regionalexpress erfolgt.

  • 10.6 Car- und Fahrradsharing / Fuß- und Radwegepläne

     

    Die Koalition unterstützt das Carsharing, also das gemeinschaftliche Nutzen eines Autos. In einem oder mehreren Modellprojekten sollen auch im ländlichen Raum Konzepte für verbesserte Mobilität durch Carsharing oder lokale Mitfahrbörsen gefördert werden. Ein Car- und Fahrradsharing-Erlass soll Kommunen die rechtssichere Ausweisung von öffentlichen Flächen ermöglichen.

    Wir werden Städte und Gemeinden dabei unterstützen, Fußwegekonzepte zu entwerfen, damit unter Beteiligung von Menschen aller Altersgruppen, attraktive und sichere Schul-, Arbeits- und Freizeitwege entstehen.

    Die Koalition will die Mobilität mit dem Fahrrad deutlich erhöhen. Dazu wird das Radverkehrskonzept fortgeschrieben. Ein Alltags- und Schnellradwegenetz soll mindestens alle zentralen Orte sicher miteinander verbinden.

    Das Thüringer Radwegekonzept wird um Komponenten wie Schnellradwege, Rad-Elektromobilität sowie Mountainbike-Konzepte erweitert. Die Mitnahmemöglichkeiten von Rädern in öffentlichen Verkehrsmitteln, insbesondere Regionalbussen sollen verbessert werden. Der Radweg am ehemaligen Eisernen Vorhang soll zügig durchgängig ausgeschildert und als Qualitätsfernradweg vermarktet werden. Radwege müssen nicht zwingend versiegelt werden.

  • 10.7 Elektromobilität

     

    Die Koalition setzt sich für die Förderung der Elektromobilität ein, sowohl beim öffentlichen Verkehr als auch beim Individualverkehr. Dazu soll die Landesregierung einen Infrastrukturplan E-Mobilität erarbeiten.

    Ein wesentlicher Teil der E-Mobilität in Thüringen soll auch in Zukunft der elektrifizierte Schienennahverkehr ( z.B. Straßenbahnen) sein. Darüber hinaus soll die Elektrifizierung der Bussysteme vorangetrieben werden.

    Für die Koalition stellt die Forschungsförderung in den Bereichen moderne und ökologische Verkehrssysteme und Antriebstechnologien eine Priorität dar.

  • 10.8 Staatliche PKW-Fuhrparke / Luftverkehr

     

    Die Koalition strebt an, den CO2-Ausstoß der staatlichen Fuhrparke deutlich zu reduzieren und dadurch eine Vorbildwirkung der öffentlichen Hand zu demonstrieren.

    Um die Situation des Luftverkehrs zu bewerten, wollen wir das Mitteldeutsche Luftverkehrskonzept fortschreiben.